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Friday, August 10, 2012

Wo die Trauer laechelt und die Freude weint


Nichts vermag die Stimmung ueber den Graebern der Nguyễn-Koenige besser auszudruecken, als die Verszeile in der Ueberschrift. Ohne Zweifel wurden sie von den Ming-Graebern bei Beijing inspiriert. Aber sie sind auch der Ausdruck vietnamesischer Lebensauffassung. Die Nguyễn konzipierten und begannen den Bau ihrer Graeber zu Lebzeiten. Fertiggestellt wurden sie meist erst nach ihrem Tod. Sie vermitteln nicht nur die Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, sondern sagen auch etwas ueber die Persoenlichkeit ihres Erbauers und zugleich ueber seine historische Bedeutung aus. Insgesamt sieben Grabanlagen der Koenige der Nguyễn-Dynastie (1802-1945) befinden sich nur wenige Kilometer suedlich von Huế. Wegen der grossen Hitze und der teilweise komplizierten Anfahrt haben wir heute aber nur die drei wichtigsten besucht. Die mit Abstand schoenste Anlage ist fuer mich das Grab des vierten Nguyễn-Koenigs Tự Đức (1829-1883).




Tự Đức hat sein Grab bereits 16 Jahre vor seinem Tod erbauen lassen und es als Refugium benutzt, wenn ihn die politischen Ereignisse seiner unruhigen Regierungszeit und persoenliche Noete bedraengten. Der Koenig mit der laengsten Regierungszeit (1847-1883) war klein von Gestalt und litt haeufig unter Krankheiten. Obwohl er mehr als 100 Frauen hatte, bleib er kinderlos. Diese Tatsache fuehrte dazu, dass er nicht nur sein Grab zu Lebzeiten fertigstellen liess, sondern auch den Text auf seiner Gedenkstele selbst verfasste.



Tự Đức war ein Poet, zudem ueberzeugter konfuzianischer Gelehrter und wollte sein Land vor dem Eindringen fremder Ideen bewahren. Dennoch musste er erleben, dass es von den Franzosen nach und nach gewaltsam erobert wurde. Er konnte die Besetzung des Mekong Deltas nicht verhindern und musste in Vertraegen den Verlust bestaetigen. Als Architekt schuf er zwischen 1864 und 1867 sein Grab als Zeugnis fernoestlicher Philosophie und Harmonie. Der Teil, den er zu Lebzeiten benutzte, ist bedeutend groesser als der Raum, den er fuer seinen Tod vorsah. Von einem starken Wall mit vier Toren umgeben, umfasst es eine Miniaturwelt mit Wasser, Huegeln, Flora und Fauna.




Am See Lưu Khiêm im Xung Khiêm-Pavillon pflegte der Koenig Literatur und Dichtung. Auf einer kleinen Insel jagte er Hasen und Voegel. Sein Tee wurde mit dem Tau aus den Bluetenkelchen der Lotosblueten zubereitet. Er umgab sich mit Schoenheit und Harmonie und bat auf seiner Stele das Volk um Verzeihung fuer die Fehler, die er an ihm begangen hatte. In dem Tempel, der heute seine Gedenkstaette ist, residierte er zu Lebzeiten und liess sich Theaterstuecke vorspielen, die bis zu 100 Naechte waehrten. Auch wenn die Dynastie der Nguyễn nach ihm noch mehr als fuenf Jahrzehnte bestand, er war der letzte Koenig der Epoche der Unabhaengigkeit, auch der geistigen Unabhaengigkeit, von Europa.


Viele Gruesse
Cathrin



Cathrin’s Blog: Zwischen Traditionen und Moderne


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